Schaumschwester by Kunkel Thor

Autor:Kunkel, Thor [Kunkel, Thor]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman, Science-Fiction, Satire
ISBN: 9783882219531
Herausgeber: Matthes & Seitz
veröffentlicht: 2010-02-14T23:00:00+00:00

11.

Es war der Nieselregen in der Schwüle eines fahlen Morgens, der Kolther mit den Fingern einer noch warmen Wasserleiche begrüßte – für eine Stadt, die sich dreihundert Sonnentage im Jahr rühmte, ein ziemlich erbärmlicher Auftakt.

Trotz seines Erschöpfungszustands musste er sich bewegen, er musste vorwärts kommen, selbst wenn es nur räumlich war, indem er einen Fuß vor den anderen setze. So geht es immer irgendwie weiter, – es muss, kann ja nicht anders, jedenfalls hatte ihm dieses selbst gesetzte Muss schon oft den Sinn des Daseins ersetzt.

Nur die Szene, die er Lora gemacht hatte, ging ihm nach: Zwischen Tür und Angel hatte sie ihm nachgerufen, er sei nur ein verbitterter, vom Leben enttäuschter Mann, – und genau das war er, nicht mehr und nicht weniger. In Gedanken schraubte er die Zeit ein paar Jahre zurück ...

»Vertrauen, Doktor? Ich werde nie wieder einer Frau über den Weg trauen können. Nie wieder!«

»Sicher, Robert, ich verstehe ja wie Sie sich fühlen ...«

»Hören Sie auf! Ihre Anteilnahme klingt mir etwas zu professionell.« Kolther starrte seit einiger Zeit in den abblätternden Stuck unter der Zimmerdecke. Die Couch, auf der er lag, glich eher einer windschiefen, zu kurz geratenen Récamiere. Sie verhinderte, dass sich ein Patient der Länge nach streckte, sondern drückte die Halswirbelsäule in einem quasi rechten Winkel zusammen. Vielleicht war es Teil der Therapie.

»Sie haben so etwas nie mitmachen müssen, Sie wissen nichts, Doktor, nichts!«

»Aber ich versuche doch nur mich in Sie hineinzuversetzen ...«

»Das können Sie nicht ... Niemand kann das!«

»Einspruch, Robert, ich bin auch geschieden. Genau wie Sie!«

»Darum geht es doch gar nicht, es geht darum wie ich abserviert wurde! Stellen Sie sich vor, Sie kommen abends nach Hause und Ihre verfickte Wohnung leer!«

»Keine Schimpfwörter, Robert, das hatten wir so vereinbart ...«

»Das interessiert mich einen Dreck! Während ich mich treu und brav im Büro abrackerte, ließ Frau-Ich-krieg-den-Hals-nie-voll-genug mein Hab und Gut durch eine Spedition abtransportieren! Die Möbel, den neuen Flatscreen, die Alesi-Espresso-Maschine ... Selbst mein Nassrasierer war weg. Dabei hat sie sich nie die Beine oder sonst was rasiert ...«

»Nicht schon wieder, Robert ... Leben Sie Ihre genitale Fixierung im Internet aus.« Der Geduldsfaden des Psychiaters schien allmählich zu reißen. »Glauben Sie mir, indem Sie das vermeintliche, Ihnen geschehene Unrecht unentwegt rekapitulieren, wird es nicht besser: Sie sind auch nicht gerade ein idealer Partner. Schon Ihr Job, – die Geheimnistuerei und die Tatsache, dass Sie ein Nachtmensch sind –, würden viele Frauen als Belastung empfinden ...«

»Verstehe, nicht der Mörder, der Ermordete ist schuldig! Ihr Psycho-Fritzen habt doch alle dieselbe Macke! Sehen Sie sich mal um: In dieser feminin durchweichten Gesellschaft werden Frauen andauernd bevorzugt behandelt, also glauben sie sich im Scheidungsfall auch alles herausnehmen zu können. Männer zahlen zwei Drittel der Steuern, erhalten jedoch nur ein Viertel der staatlichen Sozialleistungen – ein beschämender Sachverhalt, finden Sie nicht? Die Diskriminierung des männlichen Geschlechts beginnt schon vor der Geburt und setzt sich ein Leben lang fort. Wäre es nicht endlich an der Zeit weiße, mitteleuropäische Männer schlichtweg Esels des Hauses oder wandelnde Geldautomaten zu nennen? Sie dürfen für alles zahlen, aber haben nicht einmal das Recht ihre eigenen Kinder zu sehen.

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